VEIT SPRENGER – WIE SIE IM VERGNÜGUNGSPARK IHRE TOTEN BESTATTEN

Getipptes

ISBN: 978-3-949512-27-8

Wie sie im Vergnügungspark ihre Toten bestatten

19,00 €

WIE SIE IM VERGNÜGUNGSPARK IHRE TOTEN BESTATTEN

Prolog des Poeten

Die Biografie meines Schreibens ließe sich auf die Frage zuspitzen, wann ich welches Mobiltelefon hatte. Anfangs waren diese Telefone so gebaut, dass sich beispielsweise die Buchstaben A, D, G und J mit nur einem Tastendruck schreiben ließen. Für die Buchstaben B, E, H und K musste man schon zweimal drücken. Den größten Einsatz erforderten mit dreimaligem Drücken Buchstaben wie C, F, I, L, O, R und U. Das Wort FLUOR in Texten zu verwenden, war damals Ausdauersport. Etwas später gab es den Nokia Communicator, ein schweres Gerät zum Aufklappen, das für jeden Buchstaben eine eigene, winzige Wackeltaste besaß und die Innentasche ausbeulte, als trüge man einen Goldbarren oder eine Pistole bei sich. Dank dieses Geräts wurden auch die Texte, die ich schrieb, allmählich schwerer, denn schreiben konnte und kann ich noch heute am besten im Gehen. Die Erfindung des Smartphones hat dann mein Schreiben-Gehen so weit vereinfacht, dass literarisches Arbeiten im öffentlichen Raum möglich wurde, was allerdings nicht ungefährlich war, weil sich der Autoverkehr an Leute, die, ohne links und rechts zu schauen, tippend auf der Straße herumliefen, erst noch gewöhnen musste. Meine beiden Daumen haben mich durch alle diese Zeiten begleitet. Ohne sie hätte ich wahrscheinlich keine einzige Geschichte aufgeschrieben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. 

VEIT SPRENGER

 arbeitete als Krankenpfleger, Unterhaltungsmusiker, Haushaltshilfe, Erzieher, Lieferant und Journalist. Er studierte Medizin in Frankfurt a. M. und Theater in Gießen. Er ist Gründungsmitglied der Künstlergruppe Showcase Beat Le Mot, mit der er weltweit mehr als vierzig Theaterstücke entwickelt und aufgeführt hat. Er war Co-Kurator internationaler Ausstellungen und Festivals und produzierte Kurzfilme, Musikvideos und Radiohörspiele. Als Autor und Theatermacher arbeitete er u. a. mit Thies Mynther (Phantom Ghost), Gudrun Gut, Alex Murray-Leslie (Chicks on Speed) und Andreas Dorau zusammen. Seine Schriften zum Theater wurden u.a. bei theater heute, tanz und kunstforum veröffentlicht und in mehrere Sprachen übersetzt.

STIMMEN ZUM BUCH

"Mich erinnerten sie zuweilen an die Geschichten des Schweizers Peter Bichsel, die ich in den Siebzigern goutierte. Ein Kauf des Buches lohnt sich auf jeden Fall für alle die, die ihrem Kopf etwas zu denken geben wollen, das nicht jeder denkt.“ 

Christian Y. Schmidt, Juni 2024

King of Kurz

Veit Sprenger, einer der Köpfe der Performancegruppe Showcase Beat Le Mot, hat sein erstes belletristisches Buch vorgelegt: ein Band mit Kurz- und Kürzestgeschichten. Es ist eine Literatur, die einem wohltuend das Hirn verknotet, aber doch nicht so, dass man anschließend nicht mehr geradeaus gucken kann. 13. Juni 2024. Das Buch ist schon einige Wochen draußen. Nach journalistischen Maßstäben ist diese Rezension spät dran. Aber die Zeit von Showcase Beat Le Mot war immer schon eine andere. Warum nicht auch meine?

Showcase Beat Le Mot waren da, lange bevor ich meine ersten Sätze zu Papier brachte. Es ist die Gruppe, die auf einen Rundgang durch ein barockes Lustschloss einlud – und dann landete man unter einem rätselhaften, schiffssegelgroßen Tuch und lauschte ambientmäßiger Elektro-Mucke (The Top Five Letters of Liaisons Dangereuses). Sie versprachen "Alles" und lockten in eine seltsame Alchemistenbude jenseits aller Dinge. Sie raubten unsere Herzen, als sie den Räuber Hotzenplotz mit Omas Kaffeemühle davonkommen ließen. Sie feierten und beerdigten Revolutionen und beregneten mit 1000 fallenden Gegenständen den Bühnenboden im Hebbel-Theater (1000 Things Falling). Showcase: das ist Theater wie aus psychedelischen Pilzen geschöpft. Bewusstseinserweiternd.

 

Das Feinste vom Forst

Veit Sprenger ist einer der Köpfe von Showcase Beat Le Mot, und er hat jetzt ein Buch vorgelegt. Nicht sein erstes, aber sein erstes belletristisches: "Wie sie im Vergnügungspark ihre Toten bestatten" heißt es.

Im Titel dieses Kurz- und Kürzestgeschichtenbandes steckt eigentlich schon alles drin. Morbid und vergnüglich geht es zu. Verblüffend auch. "Hier auf der Sonne macht eine Sonnenuhr doch gar keinen Sinn", bemerkte plötzlich einer.

So gehen Erzählungen bei Sprenger los. Und wie dieser blitzgescheite Sonnenuhrbauer denkt man sich beim Lesen Mal ums Mal: Stimmt! Es ist eigentlich so einfach. Warum nur habe ich es nie so sehen können?

Es macht keinen Sinn – und doch so viel. Sprenger erzählt parabelhaft, mit herrlichem Gespür für widersprüchliche und surreal verquirlte Bilder und Konstellationen. "Meine Freundin wohnt im Wald, aber sie denkt, es sei eine Zweizimmerwohnung in Berlin-Neukölln", heißt es in einer anderen Geschichte. Und von dort aus geht Sprenger in ebendieser Doppeloptik weiter und erweckt seine Wald- und Großstadtdschungelbewohnerin zum Leben, lässt sie nach einer Handvoll Eicheln greifen, wenn sie hipsteresk den frischen Kaffee aufbrühen will. Das Feinste vom Forst.

 

Alltägliches unterm Brennglas

Sprengers Geschichten sind kompakt, manchmal nur vier Zeilen lang. "In der Ära von kurzen Botschaften auf X, Facebook und andren Kanälen scheint es zwangsläufig zu sein, den literarischen Ausstoß mit den Lektüregewohnheiten der Leser zu synchronisieren", steht im Klappentext. Und so kurz wie die Texte sind, kann man sich prima in ihre Details verlieben: in die freundliche Nonchalance, in den beiläufigen Ton, in die Lockerheit, mit der Absonderlichkeiten hier hingeworfen werden, in die Klarheit, in der Alltägliches unters Brennglas kommt:

"An einem Abfalleimer traf ich einen Mann in meinem Alter. Er wollte etwas herausholen, ich wollte etwas hineinwerfen. Beide nahmen wir Abstand von unserem Vorhaben, beide beschämt", schreibt Sprenger unter dem Titel "Der Doppelgänger".

Ein wenig erinnert mich dieses Erzählen an die schönen, aber weitgehend unbekannten Märchen von Kurt Schwitters. Ein bisschen auch an die bekannteren Kurzgeschichten von Franz Kafka. Jedenfalls an eine gleichnishafte Literatur, die einem gut das Hirn verknotet, aber doch nicht so sehr, dass man vor lauter Paradoxie gar nicht mehr geradeaus gucken kann.

 

Gute Schlagseite

Sprengers Erzählband verströmt jenen Zauber, den ich in den besten Abenden von Showcase Beat Le Mot verspüre. Den Zauber selbstverständlicher Verschrobenheit. Er ist eine Einladung in eine Welt, die nur knapp neben der unsrigen liegt und doch nach eigenen, gänzlich autonomen, fabelhaften, genuin poetischen Gesetzen abläuft.

"Das sinkende Schiff hatte inzwischen deutlich Schlagseite nach Lee. Ich beschwerte mich beim Steward, weil das Wasser über Backbord aus dem Pool rann."

Alles verdoppelt sich zur Kenntlichkeit. Dieses Erzählen hat gute Schlagseite. Es sei allen sehr ans Herz gelegt, die wissen, dass ein Kopf mitunter hin und her geschüttelt werden muss, um wieder in Balance zu kommen. Wer will schon tagein, tagaus mit steifem Nacken stier starrend umher rennen?

Von Christian Rakow, nachtkritik.de, Juni 2024  https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=23919:veit-sprenger-wie-sie-im-vergnuegungspark-ihre-toten-bestatten&catid=100:buecher

„…Man schaut, wenn man sich durchs Sprengers Kleinstücke liest, in das Mahlwerk seines Kopfes hinein, das den Mahlwerken in anderen Köpfen natürlich ähnelt. Nur kämen die meisten Leute eben niemals auf die Idee, ihre Gedanken zu Ende zu spinnen, egal, wo sie diese hinführen. (…) Es geht um Häuser ohne Wände, Mini-Atombomben in der Hosentasche oder die Erwartungshaltung des Briefkastens, wenn man nach längerer Abwesenheit nach Hause kommt. Und manche Stücke aus Sprengers Tastatur sind schlichtweg Grotesken – so wie das von dem Liebespärchen, das sich extra für die erste Liebesnacht eine Insel aus Schrott aufschütten lässt. Oder das vom armen Diogenes, dessen Fass ein paar übermütige Teenagerinnen vernageln und ins Meer rollen lassen. (…) Da muss man nicht erst drauf kommen. Das liegt so herum oder suppt aus überlaufenden Medienkanälen. Und schon ist es passiert, und unser Kopfkino springt an. Genau das zeigt Sprenger hier in einem Buch voller kurzer, kürzerer und kürzester Texte, die davon leben, dass sie das sowieso schon Abstruse, das wir täglich erleben, noch drei, vier Windungen weiterdrehen.“

Ralf Julie, Leipziger Zeitung, 07.04.2024

„Veit Sprenger ist Theatermacher, und jetzt macht er einfach Theater in unseren Köpfen. Er gibt dazu Anregungen, und schon ist es passiert, die Stücke entfalten sich, und nichts und niemand kann uns daraus retten. (…) Also Popcorn nehmen, süß oder salzig, und Spaß haben.“

Hauke Harder, Leseschatz.com, 30. Mai 2024

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